Katalogtext von Helmut Draxler, in: in der Welt, aus der Welt - Sid Gastl, D.M. Würgert


       
 

Helmut Draxler

Was die Bilder von Doris Maximiliane Würgert und Sid Gastl gemeinsam haben, läßt sich am besten als Unnahbarkeit, d.h. als scheinbar abgeschlossene Bildwirklichkeit beschreiben, in die hinein kaum Kontakt möglich scheint. Bei Würgerts Bildern erscheint der Bildraum wie von grauen Schleiern verhängt. Bei Gastl wirken die Landschaften wie aus großer Distanz gemalt. Keine Horizontlinie ist zu sehen, so daß die Perspektive einerseits den Blick über den Bildrand hinausführt und andererseits das Bild selbst zur Fläche "hochklappt" und damit als Malerei sichtbar macht. Auch bei Würgert leuchten die verschiedenen Grautönungen und Lichtverhältnisse aus dem Bildraum. Beide Ansätze verstehen es, neben der Distanziertheit auch Nähe und Involviertheit der Betrachtenden herzustellen, wenn auch vielfach gebrochen und fern aller direkten, expressiven Ansprüche.

Doris Maximiliane Würgert belichtet in der Technik des Gummidrucks Leinwände mit am Computer überarbeiteten Fotos. Diese Belichtungen werden selbst wieder übermalt, so lange bis keine Bruchstelle zwischen Lichtbild und Malerei festzustellen ist. Damit schafft sie eine neue, ganz eigene Realität, die zwischen oder jenseits der alten Polaritäten von Fotografie und Malerei liegt. Jeweils ein Stuhl, Sessel oder Monitor werden mit einem Heizkörper und/oder räumlichen Versatzstücken von Wänden, Böden, Ecken, Fenstern oder Türleibungen in Szene gesetzt. Undefinierte Lichtquellen beleuchten die Gegenstände. Die Betrachtenden werden durch die realistische Größe des Abgebildeten und die Zusammenstellung der Arbeiten in einen imaginären Raum versetzt, der trotz seiner Anziehungskraft distanziert bleibt. Die Grundstruktur für diese Szenerien wird aus verschiedenen Fotos, die in öffentlichen Räumen aufgenommen wurden, am Computer nach rein bildnerischen Gesichtspunkten komponiert. Die matt-transparente Malerei tut das übrige, um eine intensive Verdichtung von räumlicher Darstellung und schimmernder Grauwertmalerei zu erzielen, die den Bildern eine unwirkliche Präsenz verleiht.

Sid Gastl ordnet die dörflichen Dachlandschaften seiner Bilder zusammen mit Baumreihen meist in losen, rautenförmigen Kompositionen an. Dadurch entsteht die schon erwähnte perspektivische Dynamik. Die Bildfläche ist mit der dargestellten Bodenfläche identisch. Die Gegenstände schmiegen sich in diesen Boden. Scheinbar verschwindet die Malerei hinter dem Bild, denn die Wiesen in verschiedenen Grüntönen sind großflächig verwischt und ergeben einen entrückten, fast märchenhaften Eindruck. Gleichzeitig entstehen dadurch auch raumgreifende, satte Farbzonen, die ganz unmittelbar und dicht wirken. Die Malerei muß aus dem Bild vergegenwärtigt werden. Einige Breitformate betonen diesen Bildtypus; manche Bilder arbeiten auch mit einer Licht/Dunkel-Dramaturgie, und in den neueren Bildern tauchen seltsame Objekte auf: riesige Planen, weiße Quader, Tonnen und ähnliches, die wie leuchtende Steine das Vorgestellte weiter verfremden. Gastls Bildwelten sind extrem hermetisch. Sie bieten sich einem distanzierten Blick dar, scheinen das Sehen leicht zu machen, bieten aber doch keinen direkten Zugang, höchstens über Details in der Malerei. Je näher man die Betrachtung führt, desto ferner blickt das Bild zurück: Die Aura bleibt darin gefangen.

Beide Strategien betonen die Wechselwirkung von bildhafter Darstellung und malerischer Realisation. Während bei Würgert trotz des fotografischen Ausgangsmaterials und des Verzichts auf Buntfarben höchst präsente, kompakte malerische Arbeiten entstehen, hält Gastl bei aller Sattheit seiner Malerei die Distanz seiner traumhaft-unwirklichen Bildwelten aufrecht. Die beiden Ansätze lassen sich daher nicht als ähnlich beschreiben, sie ergänzen sich jedoch hervorragend für eine gemeinsame Ausstellung.

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